Die Bibliothek des IKGS besitzt mit über 1.000 Zeitschriften und Zeitungen eine bedeutende Periodika-Sammlung zur deutschen Kultur und Geschichte in Südosteuropa. Einige besonders seltene Titel konnten dank der finanziellen Unterstützung der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts in Deutschland (KEK) (externer Link) nun entsäuert und restauriert werden. Dies sichert den dauerhaften Originalerhalt.
Der Brand der Anna-Amalia Bibliothek in Weimar 2004 und der Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 sind nur zwei Beispiele in der jüngeren Geschichte, die die Notwendigkeit des Kulturgutschutzes in der breiten Öffentlichkeit bewusst gemacht haben. Allerdings sind nicht nur unvorhergesehene Katastrophen eine Gefahr für Bibliotheks- und Archivgut. Die quantitativ größten Schäden entstehen schleichend durch Papierzerfall, Säurefraß, Lagerungsschäden, Schimmel und Schädlingsfraß. Der Schutz des Kulturgutes im Bibliotheksalltag wird in den meisten Einrichtungen nicht budgetiert. Vor allem für kleine Einrichtungen mit wenig Personal ist die Bestandserhaltung neben dem Alltagsgeschäft oft nur schwer zu bewältigen. Hier setzt die Arbeit der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts an.
Die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts wird finanziert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) sowie die Kulturstiftung der Länder und ist bei der Staatsbibliothek zu Berlin angesiedelt. Ihr Ziel ist der dauerhafte Originalerhalt von schriftlichen Kulturgütern. Seit 2011 engagiert sie sich in vier Aufgabenfeldern:
- Erkenntnisse zur Sicherung von schriftlichen Kulturgütern sammeln und auswerten
- Netzwerke bilden, um bewahrende Institutionen zur Zusammenarbeit anzuregen
- die Öffentlichkeit für die Gefährdung des schriftlichen Erbes sensibilisieren
- Modellprojekte bundesweit unterstützen
Seit 2017 gibt es zusätzlich eine jährliche Ausschreibung für das Sonderprogramm Bestandserhaltung (externer Link), für welches die Bibliothek des IKGS im Sommer 2018 erstmals einen Antrag eingereicht hat. Im Rahmen des Sonderprogramms wurden konservatorische Maßnahmen gefördert, die im Massenverfahren durchgeführt werden können, wie z. B. Massenentsäuerung, Restaurierung und Schutzverpackung. Zudem müssen die zu restaurierenden Bestände aus historischer oder wissenschaftlicher Sicht von überregionaler Bedeutung sein, also wertvolle, unikale Werke oder Rara bzw. Werke mit hohen Wiederbeschaffungshürden. Außerdem muss eine direkte Gefährdung gegeben sein, wie z. B. der drohende Zerfall von säurehaltigem Papier.
Für das Projekt „Brücken aus Papier“ wurden 26 Zeitungen und Zeitschriften aus dem Bestand des IKGS ausgewählt, die allesamt die Alltagskultur in den deutschen Siedlungsgebieten in Rumänien wiederspiegeln, u. a. Schulprogramme, Taschenkalender und Boulevardzeitungen. Die deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften sind in ihren jeweiligen Entstehungsgebieten entweder nicht erhalten oder nur selten in öffentlich zugänglichen Bibliotheken aufbewahrt und erschlossen. Daher waren der Originalerhalt und die Restaurierung dieser seltenen Bestände, auch im Hinblick auf eine spätere Digitalisierung, dringend notwendig.
Die ausgewählten Bestände stammen aus der Zeit vor 1945, in der industriell gefertigtes, säurehaltiges Papier verwendet wurde. Mit der Erfindung des Holzschliffpapiers durch Friedrich Gottlob Keller um das Jahr 1841 und dem Ersatz des Tierleims durch eine Mischung von Harz mit Kalium-Aluminiumsulfat (Alaun) wurde zwar die industrielle Massenproduktion von Papier möglich, gleichzeitig aber der pH-Wert des Papiers gesenkt. Das Papier wurde sauer. Bei Lagerung über mehrere Jahrzehnte führt ein niedriger pH-Wert des Papiers zu einer Zerstörung der Celluloseketten und lässt das Papier zerfallen. Es verliert an Elastizität und wird brüchig. Durch Massenentsäuerungsverfahren können die Säuren im Papier neutralisiert und dessen Lebensdauer vervierfacht werden. Dafür wird den Büchern erst Restfeuchte entzogen, um sie anschließend in einer alkalischen Lösung zu tränken. Nach einer Rekonditionierungszeit von einigen Wochen sind die Bücher wieder benutzbar.
Zudem wiesen die Zeitungen zahlreiche Lagerungsschäden auf, da sie zum Teil über ein halbes Jahrhundert lang nur in provisorischen Bündeln gelagert waren. Eine besondere Entdeckung wurde in einem der Bündel gemacht: Zur Abtrennung der einzelnen Jahrgänge waren diese nochmals in Zeitungen eingewickelt. Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass es sich bei der Zeitung, die als Verpackungsmaterial verwendet worden war, um das deutschsprachige Volks-Blatt aus Arad handelte, noch dazu um einige Ausgaben aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Diese Originalausgaben des Volks-Blattes, wie sich die Arader Zeitung. Das Blatt der Deutschen in Rumänien zeitweise nannte, sind deutschlandweit nur in der Bibliothek des IKGS vorhanden.
Die anschließend erfolgte Restaurierung der Bestände hat deren Benutzbarkeit für die Wissenschaft wieder ermöglicht. Hierfür mussten Fehlstellen ergänzt und Risse geschlossen werden. Lose Bindungen wurden repariert und einzelne Zeitschriften neu gebunden.
Insgesamt wurden 220 Kilogramm Zeitungen und Zeitschriften durch einen externen Dienstleister entsäuert und restauriert. Die Zeitungen wurden in säurefreie Archivboxen verpackt. Um die Massenentsäuerung der Bestände zu dokumentieren, werden die Bestandsnachweise in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) um diese Information ergänzt. Zusätzlich wurden alle entsäuerten Bestände durch Aufkleber am Einband oder an den Archivboxen gekennzeichnet, um eine Mehrfachentsäuerung in weiteren Projekten auszuschließen.
Im Projekt „Brücken aus Papier“ konnten Periodika im Umfang von sechs Regalmetern konservatorisch behandelt und der dauerhafte Originalerhalt sichergestellt werden. Diese deutschen Zeitungen aus Rumänien bilden Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart, alten und neuen Heimaten; sowie zwischen Alltagskultur und Wissenschaft. Mit Hilfe der Projektförderung der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts in Deutschland konnten die Brücken nun vor dem Verfall gerettet werden.
Helene Dorfner
Projektleiterin