Bestandserhaltung

Bestandserhaltung

Nimm ihm Saures!

Massenentsäuerung und konservatorische Behandlung seltener Monografien des deutschen Kulturerbes aus Siebenbürgen und dem Banat

Die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK), finanziert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, hat auch 2019 ein Sonderprogramm zur Förderung von Massenverfahren in der Bestandserhaltung ausgeschrieben. Der im Januar 2019 durch das IKGS eingereichte Antrag war erfolgreich und soll den dauerhaften Originalerhalt von seltenen Monografien aus den aktuellen und ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten Siebenbürgen und Banat im heutigen Rumänien sicherstellen. Die ausgewählten Medien konzentrieren sich auf die Druckorte der Region, in denen es deutsche Verlage oder Verlage mit festem deutschsprachigem Programm gegeben hat. Sie sind überwiegend in deutscher Sprache und haben einen Bezug zur Geschichte und Kultur der deutschen Minderheit. Priorisiert wurden die Städte Kronstadt, Klausenburg, Hermannstadt, Temeswar, Karlsburg, Mühlbach, Mediasch, Schäßburg und Reschitza.

Die 850 Bände und 600 Kapselschriften stammen aus dem Zeitraum von Beginn des 19. Jahrhunderts bis 1990, der die reguläre Verwendung von säurehaltigem Papier umfasst. Die Säuren sorgen dafür, dass das Papier über die Jahre vergilbt und an Elastizität verliert und am Ende schließlich brüchig wird und leicht einreißt. In Ost- und Südosteuropa war die Herstellung von säurehaltigem Papier länger verbreitet als in Westeuropa. Das Jahr 1990 hat als Umbruchsjahr daher eine doppelte Bedeutung. Zum einen erfolgte die Öffnung Richtung Westen und somit die Orientierung an neuen Standards in der Papierherstellung. Zum anderen mussten viele Verlage, oft ohne klaren Rechtsnachfolger, in den politisch schwierigen Zeiten schließen, sodass die Wiederbeschaffung der Druckerzeugnisse besonders schwierig ist.

Nicht nur die Papierqualität, sondern auch die Bindung der ausgewählten Werke machten konservatorische und restoratorische Maßnahmen nötig. Viele Bände waren nur in einem Papierumschlag oder gar nicht gebunden.

Vorher: Pappeinband nötig

Nachher: Blätter geglättet, neu geheftet, beschnitten, Pappband und Titelschild angefertigt

Vorher: beschädigter Buchrücken

Nachher: entsäuert, neu gebunden in Pappband, Vorderumschlag übertragen

Vorher: Behelfseinband

Nachher: entsäuert, neu gebunden in Pappband, Vorderumschlag übertragen und Rückentitel

Vorher: Wasserschaden

Nachher: entsäuert, entmetallisiert, neu gebunden in Pappband mit Vordertitel

Andere wiederum waren nur durch Metallklammern zusammengehalten und mussten zur Vermeidung von Rostschäden entmetallisiert und neu geheftet werden.

Vorher: korrodierte Metallklammern

Nachher: entsäuert, entmetallisiert, neu gebunden in Pappband, Vorderumschlag übertragen

Vorher: korrodierte Metallklammern und lose Seiten

Nachher: entsäuert, entmetallisiert, neu gebunden und Pappband angefertigt

Vorher: Korrosion II

Nachher: entsäuert, entmetallisiert, lose Lagen eingebunden, Pappband mit Titelschild angefertigt

Bei einigen Büchern mussten in Einzelseiten Fehlstellen ergänzt und Risse geschlossen werden. In manchen Fällen war, wie z. B. bei Mäusefraß, eine deutlich aufwendigere Papierrestaurierung nötig.

Vorher: Mäusefraß

Nachher: aufwendige Papierrestaurierung, Pappband angefertigt

Vorher: Risse und Fehlstellen an Seiten

Nachher: aufwendige Papierrestaurierung, Risse und Fehlstellen geschlossen, neu gebunden in Pappband

Um einem drohenden Verfall vorzubeugen, eine Benutzung zu ermöglichen und den Originalerhalt sicherzustellen, mussten ca. 300 kg Bücher gereinigt, entsäuert und teilweise konservatorisch behandelt werden. Für die konservatorische Behandlung von 15 Regalmetern ausgewählter Bücher aus der IKGS-Bibliothek wurden Kosten von 72.385 € veranschlagt. Durch den erfolgreichen Antrag wurden diese Kosten komplett von der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts übernommen. Oberste Prämisse bei allen Restaurierungsmaßnahmen war immer der größtmögliche Originalerhalt.

Im September 2019 wurden die 1500 Bücher durch einen Dienstleister abgeholt und gereinigt. Anschließend wurde zwischen Büchern, die für die Entsäuerung geeignet waren und Büchern, deren Papier entweder bereits zu stark abgebaut war oder durch die Entsäuerung zu großen Schaden genommen hätte, selektiert. Die anschließende Entsäuerung, bei der die Bücher zuerst mit der Entsäuerungslösung getränkt und anschließend ca. vier Wochen rekonditioniert wurden, sorgte für eine Neutralisation der im Holzschliffpapier enthaltenden Säuren und pufferte das Papier mit einer alkalischen Reserve. Dadurch wurde die Lebensdauer des Papiers vervierfacht.

Im nächsten Schritt wurden an 374 Bänden größere restauratorische Arbeiten durchgeführt. Neue Einbände wurden angefertigt und Buchrücken repariert, die durch falsche Lagerung oder Handhabung Beschädigungen aufwiesen.

Vorher: restaurierungsbedürftiger Einband

Nachher: entsäuert, in Pappband gebunden, Vorderumschlag übertragen

Vorher: mit Tesa geklebter Einband

Nachher: entsäuert, Tesa abgelöst, neu gebunden in Pappband und Vorderumschlag übertragen

Vorher: loser Einband

Nachher: entsäuert, Pappband, neu gebunden, Vorderumschlag übertragen

Vorher: loser Buchblock

Nachher: entsäuert, Pappband angefertigt und lose Lagen eingebunden, Verklebungen abgelöst, Rücken- und Vorderumschlag übertragen

Vorher: gelöste Heftung

Nachher: entsäuert, neu gebunden in Pappband

Vorher: geklebter Buchrücken

Nachher: entsäuert, neu gebunden und Pappband mit Titelschild

Vorher: geklebter Buchrücken II

Nachher: entsäuert, neu gebunden und Pappband angefertigt, Vorderumschlag übertragen

Für besonders schöne oder seltene Bücher wurden passgenaue Schuber aus säurefreiem Karton hergestellt, um diese im Regal vor dem Abrieb durch benachbarte Bücher zu schützen.
600 seltene Kapselschriften, d.h. dünne Broschüren von weniger als 100 Seiten Umfang, wurden in säurefreie Schutzumschläge verpackt und werden nun zur schonenderen Lagerung liegend in speziellen Archivboxen aufbewahrt.

Vorher: Lagerungsschaden Kapselschriften

Nachher: entsäuert und Kapselschriften einzeln schutzverpackt

Vorher: Kapselschriften

Nachher: Kapselschriften entsäuert und einzeln schutzverpackt

Vorher: Kapselschriften Schutzverpackung

Nachher: Kapselschriften in säurefreie Archivboxen schutzverpackt

Vorher: Kapselschriften II

Nachher: Kapselschriften schutzverpackt und liegend gelagert

Ein besonderes Einzelstück aus dem Projekt ist das Werk: Kurzer Überblick der Literaturgeschichte Siebenbürgens von der ältesten Zeit bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts des Hermannstädter Gelehrten Friedrich Schuler von Libloy, das 1857 in Hermannstadt gedruckt wurde. Konzipiert war das Buch als Sylvestergabe für Gönner und Freunde. Drei von ihnen werden im gedruckten Vorwort namentlich erwähnt, darunter der Baron Joseph Bedeus von Scharberg, der seit 1842 Vorsitzender des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde war. Besonders bemerkenswert ist bei dem Bibliotheksexemplar des IKGS, dass es sich genau um das persönliche Exemplar aus dem Besitz Joseph Bedeus von Scharbergs handelt, da es zusätzlich mit einer handschriftlichen Widmung des Verfassers versehen ist.

Ursprünglich war der Buchblock nur mit einem Interimsband aus Papier geschützt und noch nicht beschnitten. Zusätzlich waren einige Seiten kreuzförmig eingeschnitten. Bei der Restaurierung des Bandes stellte sich heraus, dass die zerschnittenen Seiten zu einer Lage gehörten, die doppelt in den Buchblock eingebunden war. Es wurde also der gesamte Buchblock aufgelöst, die überzählige Lage herausgenommen und der Band neu geheftet. Zusätzlich befand sich die handschriftliche Widmung an Joseph Bedeus von Scharberg auf dem Einbandspiegel, d. h. auf der Innenseite des Interimseinbandes. Damit diese nicht verloren geht, wurde sie auf dem Spiegel des neu angefertigten, stabilen Einbandes übertragen.

Für diejenigen Bücher, die aufgrund des Papierzustands nicht entsäuert werden konnten, aber auch für urheberrechtsfreie Bücher aus dem Projekt wird nun verstärkt eine Digitalisierung angestrebt u.a. in Kooperation mit der Bayerischen Staatsbibliothek. Durch die großzügige Unterstützung der KEK von über 70.000 € werden die seltenen Bücher durch die erfolgte Entsäuerung und Restaurierung in der IKGS-Bibliothek die nächsten Jahrhunderte als Originale erhalten bleiben. Als Digitalisate werden sie bald weltweit zugänglich gemacht.

Rücklieferung

Knapp 1.500 Bücher aus dem Bestand der Bibliothek, die im Rahmen des Projektes „Nimm ihm Saures!“ gereinigt, entsäuert, restauriert oder neu gebunden und schutzverpackt wurden, sind wieder im IKGS eingetroffen. Die Kosten der Maßnahme in Höhe von mehr als 70.000 € wurden über das Sonderprogramm für Bestandserhaltung der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) finanziert.

#KoordiniertSchützen

Medienecho

KK-Redaktion: Entsäuerte und restaurierte Bücher kehren ins IKGS zurück. In: Kulturpolitische Korrespondenz: Berichte, Meinungen, Dokumente, Deutsches Kulturforum östliches Europa (Hrsg.), H. 1414, April 2020, S.8.

Projektbeschreibung auf der Seite der KEK

Publikationen

Volumen:
1.500 Monografien
Förderung: 71.750 €
Projektzeitraum: Juni 2019 – Juni 2020
Status: abgeschlossen

Meilensteine

  • Antragstellung: Januar 2019
  • Eingang Zuwendungsbescheid: Juni 2019
  • Öffentliche Ausschreibung der Restaurierungsleistung: August 2019
  • Abholung der Bestände durch externen Dienstleister: September 2019
  • Rücklieferung der Bestände ins IKGS: Februar 2020
  • Prüfung und Dokumentation der einzelnen Restaurierungsmaßnahmen, Sortierung, Kennzeichnung der entsäuerten Bestände und Beschriftung:
    Februar 2020 bis Juni 2020
  • Abschlussbericht und Projektende:
    Juni 2020

Jana Augustin, M. A.
Leitung Bibliothek und Archiv
Projektmitarbeit „Nachlass Zillich“

E-Mail: augustin@ikgs.de
Tel.: 089/78 06 09 13

 

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