Kulturgutschutz in der Ukraine

Kulturgutschutz in der Ukraine

Projekt

Schutz von Kulturgut und Kulturerbe in der Bukowina: Sprachen, Konfessionen und Kulturen – Stadt und Land in Wechselwirkung

Projektziele

  1. Digitale Erfassung der ehem. Erzbischöflichen Residenz des orthodoxen Metropoliten der Bukowina und Dalmatiens, dem heutigen Hauptgebäudekomplex der Jurij-Fedkowytsch-Universität Czernowitz (UNESCO-Weltkulturerbe)
  2. Ausstattung des Museums der Universität Czernowitz (Universitätsgeschichte)
  3.  Ausstattung zweiter landeskundlicher Museen: Ethnografisches Museum der Universität Czernowitz und landeskundliches Museum Woloka

Hintergrund und Konzept

Nachhaltiger Kulturgutschutz bedeutet, Materielles professionell vor Schäden zu sichern sowie digital festzuhalten und Immaterielles im kulturellen Gedächtnis der lokale Bevölkerung wie im internationalen Diskurs zu verankern. Das sprachlich, konfessionell und kulturell so vielfältige Kulturerbe der Bukowina ist einerseits vom engen Zusammenspiel materieller wie ideeller Faktoren und andererseits vom osmotischen Austausch zwischen der Hauptstadt Czernowitz und seiner ländlichen Umgebung geprägt. Dieses Projekt setzt sich für die digitale wie örtliche Sicherung dieser Kulturgüter ein. Es soll einerseits das hervorragende Baudenkmal der ehemaligen Residenz digital sichern und andererseits am konkreten Beispiel für die vielfältigen Musealisierungsbestrebungen in der Region wirksam werden.

Die Universität Czernowitz: Weltkultur und Wissenstransfer

Die 1875 gegründet Franz-Josephs-Universität, in deren ideeller Nachfolge die heute bestehende Nationale Jurij-Fedkowytsch-Universität steht, stellte als damals östlichste deutschsprachige Universität Europas einen bildungspolitischen Leuchtturm dar, der international wirkte sowie auch – oft über die dort ausgebildete Lehrerschaft in den Gymnasien – in das multikulturell und ländlich geprägte, regionale Umfeld ausstrahlte und eine Reihe von sozialen „Aufstiegsgeschichten“ in der Region begründete.

Eine herausragende wie exemplarische, gleichzeitig ambivalente Biografie stellt in diesem Zusammenhang die des aus dem multikulturell geprägten, bukowinischen Dorf Woloka stammenden Leo Stern dar, der zu einem der bekanntesten Historiker der DDR und in den 1950er-Jahren als Rektor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg fungierte. Solche Lebensläufe müssen, pars pro toto wie auch in kollektive Biografien eingebettet, in lokalen Museen verankert und vorgestellt werden.

Zum anderen hat die heutige Universität seit 1955 ihren Campus und ihre wichtigsten Räumlichkeiten und Einrichtungen in der ehemaligen Residenz des orthodoxen Metropoliten für die Diözesen Bukowina und Dalmatien, die in den Jahren 1864 bis 1882 nach den Plänen des tschechischen Architekten Joseph Hlávka errichtet wurde. Es gilt als Meisterwerk der Architektur des späten 19. Jahrhunderts und wurde 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Bis heute erfüllt die Universität ihren Auftrag und bietet wichtige akademischen Bildungsangebote in der Region sowie darüber hinaus; in den vergangenen Jahren verstärkt auch im digitalen Raum. Materielles Kulturgut wie immaterielles Wirken seit fast 150 Jahren müssen gesichert und auf diese Weise gewürdigt werden: durch Musealisierung sowie die – kriegsbedingt noch dringendere – Sicherung der Museen und ihrer Objekte selbst.

„Große“ und „kleine“ Institutionen: Wechselwirkungen und Rollenmodelle

Darum widmet sich das Projekt nicht nur dem „großen“ Baudenkmal „Erzbischöfliche Residenz“, sondern fokussiert darüber hinaus auf den Zusammenhang zwischen internationaler, regionaler und lokaler Vernetzung der Universität. Auf diese Weise wird das materielle wie immaterielle Kulturerbe der Region auf der ganzen Welt digital zugänglich, unterstützt aber auch seine konkrete Musealisierung vor Ort.

Top-down-Projekte und „kleine“ grassroots-Initiativen werden auf diese Weise gleichermaßen gewürdigt. In diesem Sinne besteht das Projekt aus drei zusammenhängenden und gemeinsam gesteuerten und verwalteten Teilprojekten. Das dritte Teilprojekt teil sich wiederum in zwei konkrete Maßnahmen mit zwei fachlich verwandten Einrichtungen an der Universität und in einer Dorfgemeinde:

  1. Weltkulturerbe „Erzbischöfliche Residenz“ (Digitalisierung)
  2. Universitätsmuseum: Wirkungsgeschichte der Universität Czernowitz (Museale Sicherung)
  3. Landeskundliche Museen – Czernowitz und Woloka: Urban-rurale Verflechtungen im multikulturellen Raum (Museale Sicherung)

 

Teilprojekt 1: Weltkulturerbe „Erzbischöfliche Residenz“ (Digitalisierung)

  • Digitale Erfassung des Hauptgebäudekomplexes der Universität (ehem. Metropolitensitz)
  • Langfristige Sicherung der Daten

 

Weltkulturerbe „Erzbischöfliche Residenz“

Das Objekt

Der einstige Sitz des orthodoxen Metropoliten der Bukowina und von Dalmatien (bis 1918) ist das bedeutendste Baudenkmal und ein Wahrzeichen der ukrainischen Stadt Tscherniwzi/Czernowitz. Das aus mehreren mächtigen Backsteingebäuden bestehende Ensemble wurde von 1864 bis 1882 nach den Plänen des tschechischen Architekten Joseph Hlávka errichtet.

Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns zum Ende des Ersten Weltkrieg wurde die Bukowina von rumänischen Truppen besetzt. Am 28. November 1918 wurde in der Residenz der Anschluss der Bukowina an das Königreich Rumänien beschlossen. Die Metropolie wurde aufgelöst und der bukowinische Teil in die rumänisch-orthodoxe Kirchenstruktur eingegliedert. Seit 1955 wird der Gebäudekomplex als Campus und Verwaltungssitz der Universität genutzt. Als Meisterwerk historistischer Architektur des späten 19. Jahrhunderts gehört er seit 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe.

 Projektdurchführung

Die in Lwiw/Lemberg ansässige Firma Skeiron führt die digitale Erfassung des Gebäudeensembles durch. Es werden zwei Verfahren angewendet: Laserscanning und Photogrammetrie.

Laserscanner messen Winkel und Entfernungen. Lasergeräte werden bewegt und scannen aus vielen verschiedenen Positionen. Beim photogrammetrischen Scanning werden Fassaden und alle Innenräume mit Wandbemalungen, Mosaiken und ggf. anderen farbigen Bildern aufgenommen, was für die Wiedergabe der originalgetreuen Farbtöne wichtig ist. In Räumen, in denen keine wertvollen Farbbilder vorhanden sind, kann dieses Verfahren ausgespart werden.

In der Endphase werden Daten der Laserscannung, der Kameraaufnahmen sowie von Drohnen zusammengefügt. Aus dieser Datenmenge wird das finale Modell erstellt. Dieses 3D-Modell kann vielfältig eingesetzt werden: als Grundlage für Messungen, Zeichnungen, anfassbare Modelle (ein Beitrag zur Barrierefreiheit) und insbesondere für Restaurierungen und Renovierungen. Perspektivisch ist auch an eine Repräsentation im „Metaverse“ zu denken.

Technische Details erfahren Sie hier auf Englisch.

Verantwortliche Personen vor Ort

Projektleitung: Vizerektorin Prof. Dr. Tamara Marusyk
Kontakt vor Ort:
Dr. Oxana Matiychuk, International Office der Universität und Zentrum Gedankendach
Dr. Olha Kravchuk, Natalija Masijan (Projektkoordination)

Teilprojekt 2: Universitätsmuseum – Wirkungsgeschichte der Universität Czernowitz (museale Sicherung)

  •  Ausstattung des Museums mit professionellen Mitteln zur Sicherung der Objekte
  • Verbringung in die Museumsräumlichkeiten und Aufstellung/Einrichtung

 

Das Museum

Das historische Museum der Universität widmet sich der Geschichte der Universität seit seiner Gründung in der Habsburgischen Epoche als Franz-Josephs-Universität über die „großrumänische Zeit“ und die kommunistischen Jahrzehnte bis hin zur Entwicklung seit der ukrainischen Unabhängigkeit im Jahre 1991. Es befindet sich in der Errichtungsphase. Räumlichkeiten im Universitätshauptgebäude sind bereits eingerichtet, ein Konzept ist erstellt. Es fehlen kriegsbedingt die Mittel für eine sachgemäße Sicherung des Museums und seiner Objekte.

Projektdurchführung

Im Mittelpunkt steht die Beschaffung von geeigneter Einrichtung und insbesondere Ausrüstungsgegenständen, um die Objekte im Museum vor Schäden zu schützen und zumindest in einem ersten Schritt mittels fotografischer Dokumentation zu erfassen.

Verantwortliche Personen vor Ort

Projektleitung: Vizerektorin Prof. Dr. Tamara Marusyk

Kontakt vor Ort:
Dr. Oxana Matiychuk, International Office der Universität und Zentrum Gedankendach
Dr. Olha Kravchuk (Projektkoordinatorin)

 

3. Teilprojekt: Landeskundliche Museen Czernowitz und Woloka: Urban-rurale Verflechtungen im multikulturellen Raum (museale Sicherung)

  • Ausstattung des beiden Museums mit professionellen Mitteln zur Sicherung der Objekte
  • Verbringung in die Museumsräumlichkeiten und Aufstellung/Einrichtung

 

Die Museen und ihr Umfeld

Das der Fakultät für Geschichte, Politologie und internationale Beziehungen der Universität Czernowitz angeschlossene ethnografische Museum widmet sich auf Basis der wissenschaftlichen Arbeit an der Universität der Geschichte und Ethnografie der Stadt und der Region in all ihren multi- bzw. transkulturellen Aspekten. Es soll noch stärker als Orientierungspunkt dienen und einen „Know-How-Transfer“ zu weiteren landeskundlichen Initiativen in der Region ermöglichen.

Die Territoriale Gemeinde Woloka (ukr. Волока; rum. Voloca pe Derelui) ist eine „typisch“ bukowinische Gemeinde mit historisch vielfältiger Einwohnerschaft. Auch heute weist die Gemeinde einen hohen Anteil an rumänischsprachigen Bewohner:innen auf. Die Gemeinde mit seinem Hauptort Woloka liegt ca. 16 km südlich von Czernowitz entfernt – die Wechselwirkungen einerseits mit dem „rumänischen Süden“ der Region wie mit der historischen Hauptstadt Czernowitz in Vergangenheit und Gegenwart sind deutlich sichtbar und stellen einen bewahrenswerten Aspekt der örtlichen wie auch der Bukowiner Kultur dar, die nicht zuletzt der großen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts weit über die Grenzen der Region hinausstrahlen.

Das von der Gemeinde aus Eigeninitiative eingerichtete landeskundliche Museum widmet sich nicht nur dem multikulturellen Erbe, sondern stellt auch die Beziehungs- und Bildungsgeschichte(n) der dörflichen Gemeinden dar, in denen die Universitätsstadt Czernowitz in der Regel eine zentrale Rolle eingenommen hat – und bis heute einnimmt. Das Museum soll auch auf der Ebene der Kulturgutsicherung eine Vorbildfunktion für weitere solche Initiativen in der Region einnehmen. Die über die konkrete Ebene bereits sichergestellte fachliche Zusammenarbeit mit der Universität bzw. mit dem ethnographischen Museum der Universität stellt in diesem Zusammenhang einen wesentlichen Aspekt dar.

Durchführung

Im Mittelpunkt steht die Beschaffung von geeigneter Einrichtung und insbesondere Ausrüstungsgegenständen, um die Objekte im Museum vor Schäden zu schützen und zumindest in einem ersten Schritt mittels fotografischer Dokumentation zu erfassen.

Verantwortliche Personen vor Ort

Projektleiterin für das ethnografische Museum der Universität: Vizerektorin Prof. Dr. Tamara Marusyk

Projektleiter für das landeskundliche Museum Woloka: Dumitru Penteleichuk (Jurist in der Territorialen Gemeinde Woloka)

Kontakt zwischen Universität und Gemeinde: Serhij Lukanjuk, Leiter des International Office der Universität, Berater für das Museum in Woloka
Dr. Olha Kravchuk (Projektkoordinatorin)Chernivtsi National University 3D Scan Technical Details

Dr. Florian Kührer-Wielach
Projektleitung
E-Mail: kuehrer@ikgs.de

Interview mit Florian Kührer-Wielach in der Sendung „Konkret“, DLF Kultur vom 23.12.2022 (Link)

Kooperationspartner: Nationale Jurij-Fedkowytsch-Universität Tscherniwzi/Czernowitz, Zentrum Gedankendach e. V., Gemeinde Woloka
Projektkoordination vor Ort: Dr. Oxana Matiychuk, Serhij Lukanjuk, Dr. Olha Kravchuk, Natalia Masijan
Projektdauer: 1. Oktober bis 31. Dezember 2022
Fördervolumen: EUR 57.640
Fördergeber: Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (Pressemitteilung) 
Partner und Netzwerk: Deutsch-Ukrainische Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft (Website) | Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine / ICOM Deutschland (Website) 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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