Filmvorführung von "Transilvania Mea" im Münchner Einstein Kultur.

Überwältigender Andrang zur Deutschlandpremiere von “Transilvania Mea” im Münchner Einstein Kultur.

 

Bericht: Filmvorführung und Podiumsdiskussion: TRANSILVANIA MEA – VON GEWINNERN UND VERLIERERN

Am 30. Januar 2018 luden das Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Renovabis, das Osteuropa-Hilfswerk der Katholischen Kirche in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen und der Kulturreferentin für Siebenbürgen am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim zur Vorführung des Dokumentarfilms TRANSILVANIA MEA – VON GEWINNERN UND VERLIERERN mit anschließender Podiumsdiskussion. Regisseur Fabian Daub und seine Mannschaft drehten den via Crowdfunding finanzierten Film im Frühjahr 2016, unter anderem mit Unterstützung von Renovabis und dem IKGS. Nun feierte er im Münchner „Einstein Kultur“ seine Deutschlandpremiere.

Der Andrang auf den großen Saal tief im Münchner Untergrund war überwältigend, der Raum bis auf den letzten Platz gefüllt. Im knapp anderthalbstündigen Film spricht Fabian Daub mit Menschen an verschiedenen Orten Transsilvaniens beziehungsweise Siebenbürgens, um Antworten auf Fragen zu finden, die er sich bereits seit 2010 gestellt hatte, als er für die Dreharbeiten seines mehrfach ausgezeichneten Films „Roșia Montană“ erstmals nach Siebenbürgen gekommen war: Wie hat sich das Land verändert, nachdem 1989 die kommunistische Diktatur Nicolae Ceaușescus gestürzt worden war? Welche Auswirkungen hatte der rumänische EU-Beitritt 2007 auf das Leben der Menschen? Und wer sind die Gewinner dieser Entwicklungen, wer die Verlierer?

Fabian Daub suchte etwa mit den sogenannten „Bergroma“ und ihren bäuerlichen Arbeitgebern das Gespräch, er besuchte eine Müllhalde nahe Klausenburg (rum. Cluj-Napoca), auf der Roma ihren Lebensunterhalt als Mülltrenner bestreiten, unterhielt sich mit Familien, die durch Arbeitsmigration in den Westen zerrissen worden sind, und begleitete den Pfarrer, Gefängnisseelsorger und Schriftsteller Eginald Schlattner bei seiner Arbeit mit Menschen am äußersten Rand der Gesellschaft. Die an den Film anschließende Diskussion bot dann die Möglichkeit, über die gewonnen Eindrücke zu reflektieren. Dr. Florian Kührer-Wielach, Direktor des IKGS, moderierte das Podiumsgespräch. Neben ihm und dem Regisseur Fabian Daub nahmen der Umwelt- und Bürgerrechtsaktivist, Filmemacher und Aufnahmeleiter von TRANSILVANIA MEA, Hans Hedrich, der Touristikexperte Traian Almăşan und Theresa Grabinger, Referentin für Rumänien, die Republik Moldau und Bulgarien bei Renovabis, auf der Bühne Platz.

Die Frage, die nach der Premiere des Films wohl für viele im Raum stand, stellte Florian Kührer-Wielach den Diskutanten einleitend: Ist denn das, was im Film zu sehen war, nun das Siebenbürgen der Diskutanten? Ist es ihr „Transilvania Mea“? In der folgenden Diskussion wurden einige Aspekte dieses modernen Siebenbürgen dann angesprochen. Aspekte, die das Land und die Region zu einer so vielfältigen, komplexen und auch mit Problemen belasteten kleinen Welt machen.

Folgenden Fragen gingen die Gesprächsteilnehmer im Spiegel des Films nach: Wie sieht die Gesellschaft Siebenbürgens heute aus? Kann man denn überhaupt von einer Gesellschaft sprechen? Wie wirken sich soziale und wirtschaftliche Ungleichheit, der Emigrationsdruck und die Rolle der Minderheiten, insbesondere der Roma, auf das soziale Gefüge in Siebenbürgen aus? Und ganz wichtig: Wie sieht es dann mit der Zivilgesellschaft aus? Ist eine solche überhaupt fassbar? Gibt es auf NGO-Ebene oder in politischen Bewegungen Entwicklungen hin zu einer stärker demokratisierten Gesellschaft? Das alltägliche Leben im Land ist – so waren sich alle Podiumsdiskutanten einig – nach wie vor stark von Korruption, Auswanderung und politischer Apathie geprägt. In jüngerer Zeit gab es im zivilgesellschaftlichen Bereich aber doch auch viel Bewegung. Man kann dabei etwa an die Proteste um Roșia Montană, die Demonstrationen nach dem verheerenden Feuer im Bukarester Nachtclub „Colectiv“ oder die andauernden Proteste gegen die aktuelle Regierung und die Korruption im Land denken.

Traian Almăşan ging gar so weit, zu behaupten, die Zivilgesellschaft in Rumänien forme sich eigentlich erst jetzt. Erst diese aktuellen Ereignisse und Proteste würden eine selbstbestimmte Gesellschaft nach Jahrzehnten der sozialistischen und postsozialistischen Apathie ermöglichen. Zwar sieht Hans Hedrich in Siebenbürgen und Rumänien derzeit eher ein Nebeneinander verschiedener gesellschaftlicher Schichten und Akteure als ein Miteinander. Er begreift Rumänien aber ein Stück weit wie die Europäische Union, nur im Kleinen: Das West-Ost-Gefälle im Land ist ähnlich wie in Europa selbst. Ein echtes gemeinsames Selbstverständnis ist ebenfalls erst im Entstehen begriffen.

Ein bedeutender Faktor, der im Film und in der Diskussion danach viel Platz einnahm, ist schließlich die Rolle der Emigration für die Gesellschaft Rumäniens. Eine der entscheidenden Fragen, die Fabian Daub sich mit dem Film stellte, war, wie Familien mit Arbeitsmigration umgehen. Es wächst in Rumänien zurzeit schließlich „eine ganze Generation“ ohne Eltern auf. Bei allen Problemen, die sich dadurch ergeben, gab Theresa Grabinger jedoch auch zu bedenken, dass Migration für die Menschen in Siebenbürgen nicht nur negativ sei. Sie ermögliche – wenn auch zu einem hohen Preis – wirtschaftlichen Aufstieg und neue Chancen.

Nachdem die Diskussion für das Publikum geöffnet wurde, hatten viele der Anwesenden eigene Erfahrungen beizusteuern. Ein Gast betonte etwa, wie radikal der Wandel nach 1989 in Rumänien tatsächlich war und dass man die Herausforderungen, die sich daraus noch immer ergeben, nicht unterschätzen dürfe. Dreißig Jahre seien seit der „Wende“ vergangen; das sei aus Perspektive des gesellschaftlichen Wandels allerdings nicht viel. Auch der langsame Fortschritt der Demokratisierung des öffentlichen Lebens wurde von einem Zuschauer hinterfragt. Könnte es sein, dass diese Demokratisierung, so wie die von Traian Almăşan genannte Bildung der Gesellschaft, erst jetzt wirklich in Angriff genommen werde?

Eine letzte Frage, die viele der Anwesenden auch persönlich betraf, war schließlich die nach der Rückkehr nach Siebenbürgen. Die Wortmeldungen waren diesbezüglich verhalten optimistisch.

Ralf Grabuschnig