Europaweites Netzwerk

Ein europaweites Netzwerk. Pfarrer deutschsprachiger protestantischer Kirchengemeinden in Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert

Ein europaweites Netzwerk

Pfarrer deutschsprachiger protestantischer Kirchengemeinden in Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert

Deutschsprachige Protestanten lebten seit der Reformationszeit in Südosteuropa. Nach den turbulenten Jahrhunderten, die durch Kriege, Religionsverfolgung und politische Umbrüche geprägt waren, zogen ab dem Ende des 18. und verstärkt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts deutschsprachige Protestanten in die südlichen Regionen des Habsburgerreiches und in die neu gegründeten Balkanstaaten. Sie kamen zum Teil durch zentral organisierte Siedlungsaktionen in die dünn besiedelten Gegenden in Reaktion auf den erhöhten Bedarf an landwirtschaftlicher Produktion und Arbeitskräften. Andere ergriffen individuell die Initiative, an neugegründete Industriestandorte oder in die Handelszentren der Balkanhalbinsel zu ziehen. Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebauten Eisenbahnstrecken, die eine erhöhte Mobilität ermöglichten, verstärkten ihre Verteilung in der Region. 

Als Resultat entstanden im 19. Jahrhundert auf dem Land wie auch in zahlreichen südosteuropäischen Städten deutschsprachige evangelische Kirchengemeinden, darunter in Sofia/Sofija, Belgrad/Beograd, Bukarest/București und Sarajewo/Sarajevo, aber auch in Agram/Zagreb, Fiume/Rijeka, Pola/Pula, Esseg/Osijek und Marburg/Maribor. Durch die Emanzipation der Protestanten und ihrer kirchlichen Strukturen im Habsburgerreich war es nun für protestantische Pfarrer aus den deutschen Territorien und später aus dem Deutschen Reich möglich, sich um eine Stelle in der (Doppel-)Monarchie zu bewerben. Parallel zur Vermehrung der Kirchengemeinden begann ein Zuzug von deutschsprachigen Pfarrern an den südöstlichen Rand des Kontinents. Jeder von ihnen brachte seine unterschiedlichen theologischen Interessen und Prägungen mit, die häufig die aktuellen theologischen und kirchenpolitischen Entwicklungen auf dem Kontinent widerspiegelten. Zahlreiche Pfarrer waren auch als Schriftsteller, Publizisten, Lehrer, Wissenschaftler oder Politiker tätig, und erreichten dadurch ein breites Publikum, das weit über die Grenzen der eigenen Gemeinden hinaus reichte. Sie prägten die religiöse, soziale und kulturelle Landschaft der Orte und Regionen, in denen sie lebten. Viele von ihnen standen im ständigen Kontakt mit anderen in Südosteuropa tätigen Pfarrern, die sie meistens bereits aus der gemeinsamen Studienzeit kannten. 

Auch die Kirchengebäude und die protestantischen Einrichtungen – Schulen, Kindergärten oder Waisenhäuser – gehörten vielerorts untrennbar zum Stadtbild. Zahlreiche der porträtierten Gemeinden und ihre Kirchengebäude fielen den turbulenten Ereignissen des 20. Jahrhunderts zum Opfer und existieren heute nicht mehr. Einige Gebäude dienen mittlerweile anderen Zwecken, sind jedoch weiterhin als Kirchenbauten erkennbar. 

Ziel dieses Forschungs- und Vermittlungsprojektes ist es, eine interaktive, mehrsprachige Website zu erstellen, die die Biografien und das europaweite persönliche Netzwerk protestantischer Pfarrer, die im 19. und 20. Jahrhundert in Südosteuropa tätig waren, veranschaulicht. Sie wird auch Kurzfassungen der Geschichte der Kirchengemeinden und ihrer Kirchengebäude enthalten und auf diese Weise das materielle und immaterielle Kulturerbe miteinander verknüpfen. Porträtiert werden ausgewählte Pfarrer und Kirchengemeinden in Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Rumänien, Serbien, Slowenien, Ungarn und der Westukraine. 

Projektleitung
PD Dr. Angela Ilić
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
E-Mail: ilic@ikgs.de