Literarische Akteure und Netzwerke

Literarische Akteure und Netzwerke

Deutschsprachige literarische Netzwerke und Akteure in Zentraleuropa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Veröffentlichungen | Veranstaltungen

Das transnationale und interdisziplinäre Projekt untersucht anhand deutschsprachiger Autorinnen und Autoren aus Siebenbürgen sowie ihrer europäischen Netzwerke in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wie literarische Akteure im öffentlichen Raum als Diskursgestalter auftraten. Dabei verbindet es literaturwissenschaftliche, literatursoziologische, historische bzw. wissenschaftsgeschichtliche Fragestellungen. Der Fokus auf Siebenbürgen ermöglicht eine tiefgehende Analyse und geht dank der überregionalen und transnationalen Netzwerke der Akteure zugleich über die Region hinaus und auf Akteure aus benachbarten Regionen näher ein, sofern thematisch geboten.

Ausgangspunkt der Analyse ist die Annahme, dass „jede Literatur […] politisch [ist], gerade auch die, die sich unpolitisch dünkt“.[1] Statt der naheliegenden Gegenüberstellung von engagierter und autonomer Literatur, die sich ausschließlich auf literaturästhetische Fragen beschränkt, wird ein kulturgeschichtlicher Ansatz verfolgt, der literarische Diskurse und Öffentlichkeit in den Vordergrund stellt und Literatur als Katalysator von Narrativen versteht. Insofern trägt Literatur zur Rationalität kultureller sowie sozialer Prozesse bei und erlangt eine Schlüsselrolle in der Herausbildung sozialer Imaginationen.

Angesichts des Zerfalls politischer Strukturen und in Zeiten politischen Wandels gewinnen literarische Positionierungen, insbesondere im Minderheitenkontext, an Bedeutung. Dies lässt sich auch am Beispiel der deutschsprachigen Minderheit in Siebenbürgen im postimperialen Kontext nach dem Ersten Weltkrieg und in den 1930er- bzw. 1940er-Jahren veranschaulichen. Die Einflussnahme der Macht auf die Literatur trug zugleich zu ihrer Etablierung als Kulturphänomen bei.

Das Projekt strebt eine umfassende Untersuchung des deutschsprachigen literarischen Feldes in Siebenbürgen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Hilfe der Netzwerkanalyse und unter Rückgriff auf die Akteur-Netzwerk-Theorie an.[2] Dabei geraten auch die Mehrsprachigkeit als politische Legitimation und die Europa-Diskurse in den Fokus. Die Refiguration von Siebenbürgen-Narrativen ist ein Aspekt, der in Textanalysen auszuarbeiten ist. Es stehen einerseits literarische Siebenbürgen-Diskurse der Zwischenkriegszeit im Fokus, andererseits die Frage, ob beziehungsweise wie die Rolle von deutschsprachigen siebenbürgischen Autoren und Autorinnen während der 1930er- und 1940er-Jahren in später verfassten literarischen Texten reflektiert wurden, d. h. die Fiktionalisierung des deutschsprachigen literarischen Feldes.

Veröffentlichungen

 
Sammelband
  • Deutschsprachige literarische Felder und Akteure in Zentraleuropa im postimperialen Kontext. Praesens: Wien 2024. Gemeinsam mit Réka Jakabházi und János Szabolcs.
 
Aufsätze
  • „„Hätschelkinder der Nationalsozialisten“: Drei siebenbürgisch-sächsische Autoren im Dienst der kulturpolitischen Propaganda.“ In: Enikő Dácz, Florian Kührer-Wielach, Tobias Weger (Hgg.): Zwischen ‚Selbsthilfe‘ und ‚Fremdsteuerung‘. Zur politischen Geschichte der Deutschen in Rumänien in den 1930er-Jahren. Verlag Friedrich Pustet: Regensburg 2025, S. 231‒254
  • „Parade-Auslandsdeutsche“ im literarischen Feld. Karl Kurt Klein und Heinrich Zillich als Gestalter des literarischen Transfers zwischen dem Dritten Reich und Rumänien, in: Ottmar Traşcă, Virgiliu Ţârău, Corneliu Pintilescu (Hgg.): Building a Nazi Racial Community. Mobility and Transnational Transfers between Nazi Germany and the South-Eastern European ‚Volksdeutsche‘. Verlag Friedrich Pustet: Regensburg 2024, S. 45‒69.
  • Changing Political Landscapes – Adapting Biographies: Three Ideologically Engaged Transylvanian Saxon Writers before and after 1945 in Brașov, Vienna and Munich.In: Grote, Georg; Carlà, Andrea (Hgg.): Changing Borders and Challenging Belonging. Policy Change and Private Experience. Peter Lang: Oxford 2024, S. 165‒192.
  • Gemeinsam mit Olivia Spiridon: Criteriile canonului: Între estetică și ideologie. Gustul public: elite și mase. Formatorii de opinie (reviste, critici). [Die Kriterien des Kanons: Zwischen Ästhetik und Ideologie. Der öffentliche Geschmack: Eliten und Masse]. In: Andrei Corbea-Hoișie, Rudolf Gräf: Limbă și cultură germană în România (1918–1933). Realități postimperiale, discurs public și câmpuri culturale. [Deutsche Sprache und Kultur in Rumänien (1918–1933). Postimperiale Wirklichkeit, öffentlicher Diskurs und kulturelle Felder]. Bd. 2, Polirom: București 2023, S. 413–424.

Veranstaltungen

  • Tagungspanel „Das neue Fremde/Eigene. Deutschsprachige literarische Felder und Akteure in Ostmittel- und Südosteuropa im postimperialen Kontext“ am12. Internationaler Kongress der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens, Kooperation mit den Lehrstühlen für Germanistik an der „Babeș-Bolyai“-Universität, Cluj-Napoca/Klausenburg und Partium-Universität, Oradea/Großwardein, Constanța/Konstanza, 2.–6.9.2022. Gemeinsam mit Réka Jakabházi und János Szabolcs.

 

[1] Stefan Neuhaus, Rolf Selbmann, Thorsten Unger: Engagierte Literatur zwischen den Weltkriegen. Ein Vorgespräch. In: dies. (Hgg.): Engagierte Literatur zwischen den Weltkriegen. Würzburg 2002, S. 9‒18, hier: S. 14.

[2] Siehe eine diesbezügliche Studie: Sofie Dobbener, Haimo Stiemer: Polykulturalität als Positionierungsstrategie siebenbürgisch-sächsischer Literaturperiodika (1907–1939). In: Journal für Kultur und Geschichte der Deutschen im Östlichen Europa (JKGE) / Journal for Culture and History of the Germans in Eastern Europe 4/2023. Mehrsprachigkeit in der deutschsprachigen Presse des östlichen Europas / Multilingualism in the German-Language Press in Eastern Europe. Hrsg. von Jörg Meier. Berlin, Boston 2023, S. 143‒160.

Projektleitung: Dr. Enikő Dácz
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
E-Mail: dacz@ikgs.de