Kulturgutschutz in Bila Krynytsja

Kulturgutschutz Bila Krynytsja

Projekt

Digitale Sicherung des sakralen Ensembles von Bila Krynytsya: zentraleuropäisches Kulturerbe der Altgläubigen

 

 

Hintergrund und Ziele des Projektes

Der heute an der ukrainisch-rumänischen Grenze, einst mitten im Kronland Bukowina gelegene Ort Bila Krynytsja (historisch auch Fontina Alba, Warnica, Biala Kiernica, Weissenbrunn, Fântâna Albă) birgt zwei kirchengeschichtliche und kunsthistorische Kleinodien.[1] Insbesondere die Himmelfahrtskathedrale und ihre historische Funktion als Bischofssitz der „Hierarchie von Bila Krynytsja“, bis heute nomineller Hauptsitz von sogar zwei Kirchen der Altgläubigen („Lipowaner“), zeugt von der weit über die Grenzen der Region verweisenden Bedeutung des Ensembles. Die Cosmas und Damian geweihte Kirche aus Holz und Stein sowie die „Winterkirche“ verweisen wiederum auf lokale orthodoxe Traditionen.

Unter dem Begriff „Altgläubige“ werden verschiedene christliche, ursprünglich aus Russland stammende Gruppen zusammengefasst, die sich seit dem 17. Jahrhundert von der Russisch-Orthodoxen Kirche losgesagt haben. Diese Gruppen litten bis ins 20. Jahrhundert in Russland unter Verfolgung, weswegen sie das Land in der Regel verließen und sich in anderen Gebieten Ost- und Südosteuropas ansiedelten. Gemeinden, die zur sehr heterogenen Gruppe der „Altgläubigen“ zu zählen sind, existieren in Rumänien, der Ukraine, den USA, in Russland, Ungarn und weiteren Ländern.

 

Zur internationalen Bedeutung des Ensembles

De facto ist der Hauptsitz der Hierarchie von Bila Krynyzja seit 1940 in Brăila (Rumänien), kirchenrechtlich und nominell aber nach wie vor in Form eines „Ehrenprimat“ in Bela Krynyzja angesiedelt. Der Belokrinizkaja hierarchija gehören zwei Kirchen an:

  1. die Lipowanische Christliche Kirche vom Alten Ritus (auch: Orthodoxe Kirche des alten Ritus in Rumänien, Rum. Biserica Ortodoxă de Rit Vechi din România) mit Eparchien in Rumänien, der Ukraine, Russland, Westeuropa, Amerika, Australien und Georgien und
  2. die Russisch-Orthodoxe Altritualistische Kirche, die ihren Sitz heute in Moskau hat und fünf Bischöfe sowie über hundert Gemeinden in Russland, Ukraine, Belarus, Kasachstan, Republik Moldau sowie Deutschland und Baltikum.

 

Habsburgisches Erbe

Die Lipowaner siedelten bereits im 18. Jahrhundert auch in der Bukowina. Joseph II. forcierte dann weitere Ansiedlungen aus der Dobrudscha und Bessarabien, da sich diese Gruppe eines besonders guten Rufes erfreuten. Lipowaner können also zu einer der „Gründungsvölker“ der habsburgischen Bukowina gezählt werden.

Die historischen Zusammenhänge der Donaumonarchie hatten einst nicht nur die Fortexistenz der „Abtrünnigen“ in einer eigenen Kirche ermöglicht, sondern auch den Aufbau einer eigenständigen Hierarchie: 1848 konnten Altgläubige in Österreich den kanonisch geweihten griechischen Bischof Ambrosios (Andrei Georgijewitsch Popowitsch) von Sarajewo und Bosnien für das Altgläubigentum gewinnen. (Er hatte nach Konflikten seinen Metropolitensitz in Bosnien aufgeben müssen.) Im Kloster Bila Krynyzja in der damals habsburgischen Bukowina weihte Ambrosios 1849 Bischof Kiril (Timofejew) und Sophroni, Bischof von Simbirsk. Die durch seine Person hergestellte kanonische Kontinuität ermöglichte die Begründung der Altgläubigen-Hierarchie von Bela Krynyzja.

 

Russländisches Erbe

An diesem Ort kreuzen sich die zentraleuropäischen und südosteuropäischen auch mit bestimmten Aspekten der russischen Geschichte, insbesondere der Verfolgung christlicher Minderheiten. So wurde die Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale, Hauptkirche eines Nonnenklosters, von der wohlhabenden Moskauer Altgläubigenfamilie Ovsiannikov gestiftet. Die Pläne stammen von einem österreichischen Architekten. Für den Bau wurde eine die astronomische Summe von einer halben Million russischer Rubel in Gold ausgegeben. Das Baumaterial, die Granitdetails und die Dekoration für die Kirche wurden direkt aus Moskau geliefert, und für den Bau des Fundaments wurden sogar zwei Fuhrwerke mit russischer Erde herbeigeschafft. Der zum Klosterensemble gehörende Glockenturm wurde in der Sowjetzeit demoliert.

Vom 7. bis 14. November 1996 fanden hier die Sitzungen des 1. Weltkonzils der Altgläubigen Kirche statt, das anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Hierarchie von Bila Krynytsja abgehalten wurde.

 

Regionales ukrainisches Erbe

Zum bestehenden Ensemble gehört zudem die im westukrainisch-moldauischen Stil errichtete, dem Heiligen Basilius dem Großen und den Heiligen Cosmas und Damian geweihte „Sommerkirche“ sowie die „Winterkirche“. Der im 19. Jahrhundert errichtete Sakralbau besteht aus einem mit Ziegeln verputzten Hauptteil und einem hölzernen Abschluss. Seine räumliche Struktur folgt den lokalen ukrainisch-moldauischen Traditionen und wiederholt den antiken Typus eines dreiteiligen, dreikuppeligen Tempels.

 

Projektdurchführung

Die in Lwiw/Lemberg ansässige Firma Skeiron wird mit der Durchführung der digitalen Erfassung des Gebäudeensembles beauftragt. Es werden zwei Verfahren angewendet: Laserscanning und Photogrammetrie.

Laserscanner messen Winkel und Entfernungen. Lasergeräte werden bewegt und scannen aus vielen verschiedenen Positionen. Beim photogrammetrischen Scanning werden Fassaden und alle Innenräume mit Wandbemalungen, Mosaiken und ggf. anderen farbigen Bildern aufgenommen, was für die Wiedergabe der originalgetreuen Farbtöne wichtig ist. In Räumen, in denen keine wertvollen Farbbilder vorhanden sind, kann dieses Verfahren ausgespart werden.

Das Geodätische Institut bzw. der Lehrstuhl für Bauinformatik & Geoinformationssysteme der RWTH Aachen hält zu dieser Vorgehensweise fest: „Bei der kombinierten Aufnahme mit einem terrestrischen 3D-Laserscanner und einer hochauflösenden kalibrierten Digitalkamera ergänzen sich die Vorteile der beiden Sensoren. Die hohe Auflösung der Digitalbilder und die schnelle und präzise Entfernungsmessung des Laserscanners ermöglichen die präzise und detaillierte 3D-Dokumentation komplexer Objekte.“

In der Endphase werden Daten der Laserscannung, der Kameraaufnahmen sowie von Drohnen zusammengefügt. Aus dieser Datenmenge wird das finale Modell erstellt. Dieses 3D-Modell kann vielfältig eingesetzt werden: als Grundlage für Messungen, Zeichnungen, anfassbare Modelle (ein Beitrag zur Barrierefreiheit) und insbesondere für Restaurierungen und Renovierungen. Perspektivisch ist auch an eine Repräsentation im „Metaverse“ zu denken.

 

[1] Zur Geschichte des Ortes siehe Kurt Scharr: Die Entwicklung des „ländlichen Raumes“ am Beispiel der Ansiedlerorte Fontinaalba und Klimoutz. In: Helmut Rumpler und ders. (Hrsg.): Der Franziszeische Kataster im Kronland Bukowina/Czernowitzer Kreis (1817–1865). Statistik und Katastralmappen, S. 56–68.

 

Fotogalerie

Projektziele:

  • Digital Scanning des historischen Kirchenensembles von Bila Krynytsya: Himmelfahrtskathedrale, Cosmodemianivska-Kirche und „Winterkirche“ der Altgläubigen
  • Dezentrale Sicherung der Daten

Antragsteller: Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München (IKGS)

Projektförderung: Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine / Ukraine Art Aid Center

Projektleitung: Dr. Florian Kührer-Wielach (IKGS)

Projektkoordination vor Ort: Dr. Oxana Matiychuk

Projektdauer: Juni bis Oktober 2025

Kostenvolumen: 7.625 EUR

Kooperationspartner: Nationale Jurij-Fedkowytsch-Universität Tscherniwzi/Czernowitz; Zentrum Gedankendach e.V.; Gemeinde Bila Krynytsya; Firma Skeiron, Lwiw/Lemberg

 

 

 

 

 

 

 

 

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