„Ich wäre lieber eine Frage als ein Ausruf …“ 

Der 1953 in Reps/Rupea/Kőhalom geborene Hellmut Seiler, der in Hermannstadt/Sibiu/ Nagyszeben studierte, ab 1976 Deutsch- und Englischlehrer in Neumarkt am Mieresch/Târgu Mureș/Marosvásárhely war und 1982 mit seinem Gedichtband die einsamkeit der stühle bekannt wurde, erhielt 1985 Berufs- und Publikationsverbot und reiste 1988 nach Deutschland aus. Seit Jahren lebt er in Backnang, und heute bezeichnet er sich als „siebenbürgisch-württembergischen“ Schriftsteller. Die von Enikő Dácz (IKGS) moderierte Lesung, die eine gemeinsame Veranstaltung des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS), dem Verband der Siebenbürger Sachsen und dem Haus des Deutschen Ostens (HDO) war, lockte am 17. Oktober 2018 ein stattliches Publikum an. Hellmut Seiler sei ein sich „zweiheimisch“ fühlender „Grenzgänger auf Wanderschaft zwischen den Kulturen und Sprachen“, erläuterte die Moderatorin, deren Fragen den Dichter immer wieder zu überraschend deutlichen Aussagen verführten. Etwa zu dem Bekenntnis, dass der langjährige Kämpfer gegen die Verarmung der deutschen Sprache den Lehrerberuf gerne und freudig an den Nagel gehängt hat, oder zu der Aussage, dass er als Dichter die „Kurzstrecke“ bevorzuge und deshalb kein Roman von ihm zu erwarten sei. Aber auch zu der Bemerkung, dass ein gut informierter Optimist fast zwangsläufig zu einem tapferen Pessimisten werden müsse, oder zu der Andeutung, dass erotisches Begehren lebenslang eine wichtige Triebfeder jeglicher Kreativität sei. Hellmut Seiler trug Gedichte und Kurzprosa vor, darunter das in den späten 1970er-Jahren entstandene Langgedicht take it or leave it und das relativ neue Poem Zeichen setzen, das mit der Zeile „Ich wäre lieber eine Frage als ein Ausruf …“ beginnt, die das Motto für diese gelungene Veranstaltung abgab. Die aus fünf Jahrzehnten stammenden Texte zeigten Hellmut Seiler als politisch wachen, zeitkritischen Skeptiker, Ironiker und Sprachspieler. Das Publikum bekam einen guten Eindruck vom Gesamtwerk des Autors, der bisher sechs Bücher veröffentlicht hat, zuletzt 2017 den Gedichte und Aphorismen enthaltenden Band Dieser trotzigen Ruhe Weg. Den konnte man nach der Lesung erwerben und signieren lassen – was viele Zuhörer auch taten.

Klaus Hübner