Zum Nachhören und Nachsehen:

 „Zwischen Bollwerk und Brücke?“ 

Zum Nachhören und Nachsehen: „Zwischen Bollwerk und Brücke?“

Zum Nachhören und Nachsehen:  

Tagung „Zwischen Bollwerk und Brücke? Der habsburgische Südosten Europas. Kultur-Raum-Konzepte seit dem 18. Jahrhundert“ 

 

28. September bis 1. Oktober 2022, Sibiu/Hermannstadt/Nagyszeben

Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften Hermannstadt, Rumänische Akademie / Institutul de Cercetări Socio-Umane, Academia Română (Website) 

Leitung: Rudolf Gräf (Hermannstadt/Sibiu), Florian Kührer-Wielach (München), Kurt Scharr (Innsbruck) 

Aufgrund technischer Problem sind die Tonaufnahmen teils leider von schlechter Qualität. Wir möchten Ihnen die Beiträge jedoch trotzdem nicht vorenthalten und bitten um Nachsicht. 

Donnerstag, 29. September

9–9:30 Uhr

Eröffnung / Grußworte

9:3011:30 Uhr 

Raumwahrnehmung (Moderation: M. Garloff)

Harald Heppner (Graz): Das Raumdenken der k. (u.) k. Armeeführung über Europas Südosten (1699–1914)

Paulus Adelsgruber (Chișinău): Zur Wahrnehmung von kulturellen Grenzen am Schnittpunkt dreier Imperien: Bukowina, Moldau und Bessarabien in Reiseberichten (1791–1838)

15:30–17:30 Uhr

Kulturräume skizziert und gebaut (Moderation: P. Adelsgruber)

Timo Hagen (Bonn): Gebaute Kulturraumkonzepte. Kulturelle Horizonte und Orientalismen in der Architektur des habsburgischen Südostens

Heinke Fabritius (Gundelsheim): Historienbilder und Frontskizzen: Rauminszenierungen bildender Künstler zwischen Auftragskunst, Kriegstrauma und Subversion

Robert Born (Oldenburg): Reichsstil oder aufgeklärter Barock. Kunstgeographische Regionsentwürfe zu Südosteuropa im 20. Jahrhundert

18 Uhr

Festvorträge – Raum im Dialog
(Moderation: K. Scharr / F. Kührer-Wielach)

Spiegelsaal des Demokratischen Forums der Deutschen

S.E. Botschafter Dr. Emil Brix (Wien): Von Imperien zu Nationalstaaten. Und zurück? Grenznarrative in Südosteuropa

S.E. Botschafter Emil Hurezeanu (Wien/Bukarest): Österreich und Rumänien, zwischen Wahlverwandtschaften und wohlwollender Gleichgültigkeit

Freitag, 30. September 

14:3016 Uhr 

Der Südosten Europas (Moderation: F. Kührer-Wielach)

Präsentation der Ergebnisse des Nachwuchsseminars: Der Südosten Europas – Eine Erfindung? Nation und Raumbildung in Südosteuropa (Rumänien)

Ralf Thomas Göllner (Regensburg): Regionale, euroregionale und grenzüberschreitende Kooperationen als moderne Raumordnungskonzepte

18 Uhr 

Lesung im Hochmeister-Haus (Moderation: K. Scharr)

Monika Czernin (München/Wien): Der Kaiser reist inkognito. Joseph II. und das Europa der Aufklärung

Veranstalter: Kommission für Geschichte und Kultur der Deutschen in Südosteuropa e. V. (KGKDS, Tübingen), Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (Doktoratskolleg Austrian Studies), Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München (IKGS), Institutul de Cercetări Socio-Umane Sibiu, Academia Română 

in Zusammenarbeit mit: Universitatea Babeș-Bolyai Cluj-Napoca/Klausenburg/Kolozsvár, Universitatea Lucian-Blaga Sibiu/Hermannstadt/Nagyszeben, Demokratisches Forum der Deutschen in Hermannstadt 

Tagungskonzept

We cease to consider so many geographical complexes as simple linear boundaries. And we also become aware that ancient boundaries were never, so to speak, linear; more often they were zones […] every historical unit, every regulated society, seemed to form ipso facto a geographical personality in the past. […] it is no longer a question of finding at all costs a network of lines, a definite bound enclosing with more or less success a piece of territory: it is not the definite bound or frame that is of prime importance, but the thing framed or bounded – the expressive and living centre of the the picture. The rest is only a margin. 

Lucien Febvre: A Geographical Introduction to History, London 1932 (1. Aufl. 1925), S. 304 u. 308. 

Als der französische Historiker Lucien Febvre 1922 sein Buch La Terre et l‘évolution humaine. Introduction géographique à l‘histoire (aus dem hier in der englischen Ausgabe zitiert wurde) veröffentlichte, lag das Ende des Ersten Weltkrieges gerade vier Jahre zurück und die Pariser Friedensverträge waren eben in Kraft getreten, ihre langfristigen Folgen noch nicht absehbar. Sie sollten Europa ‚neu‘ ordnen. Febvre konzipierte, entgegen dem Zeitgeist, bereits eine bewusst transnationale Geschichte des Raumes. 

Die ‚Kommission für Kultur und Geschichte der Deutschen in Südosteuropa‘ oszillierte seit ihrer Gründung im Jahr 1957, wie auch andere Einrichtungen, selbst zwischen zurückblickenden und pluralistischen Standpunkten in punkto Raumvorstellungen. Sie bewegte sich damit in einem Kontext des vorherrschenden Zeitgeistes. Allerdings war ihr Forschungsauftrag zugleich und von Beginn an mit einer Dialektik in Bezug auf ihren Forschungsraum konfrontiert: Spätestens nach 1945 und vor allem mit den Jahren der Wende 1989/91 hatten sich staatliche Grenzen, politische Zugehörigkeiten und ethnische Zusammensetzung dieses Raumes so gravierend verändert, dass die Geschichte der Deutschen in Südosteuropa nicht mehr in linearen Vorstellungswelten der Großmächte vor 1918 gedacht und geschrieben werden konnte. Darin und in der Brutalität seiner Umsetzung unterscheidet sich der Bruch von 1945 auch von jenem von 1918. „The expressive living centre of the picture“ – wie das Febvre beschreibt – also auch die ‚Zonen des Überganges‘ und gegenseitiger Beeinflussung, wurden allmählich zum zentralen Gegenstand des forschenden Interesses. 

Geographische Bilder, wie wir sie etwa im Schulunterricht einlernen aber auch aus der Politik kennen, wenn es etwa um Fragen der Schengen-Grenze oder künftige EU-Erweiterungen geht, prägen unsere Raumvorstellungen. Sie bauen allesamt auf einer Entwicklung auf, die im 18. Jahrhundert massiv ansetzt, als sich sowohl das Zaren- wie auch das Habsburgerreich in der Machtausdehnung ihrer Zentren in diesen südosteuropäischen, vermeintlichen Peripherraum vorschoben. Bislang weitgehend imperial gedachte Räume erhielten spätestens zur Mitte des 19. Jahrhunderts massive Konkurrenz seitens nationalstaatlicher Konzepte. Letztere setzen sich allmählich durch, existieren zunächst jedoch bis zum Ersten Weltkrieg oftmals parallel zueinander, ohne die imperialen Vorstellungen vollständig zu verdrängen. Die Diskussionen rund um das Centenarium 1914/1918 haben deutlich gezeigt, dass Raumkonzeptionen und damit verbundene Vorstellungswelten nach wie vor ein weites Feld an Forschungsdesiderata umfassen. 

Im Zentrum steht die Diskussion von Raumkonzeptionen und -theorien, mit einem Fokus auf Mittel- und Südosteuropa, wie er seitens der Kommission als Arbeitsgebiet gesehen wird. Wichtig erscheint dabei die Berücksichtigung einer breiten Perspektive auf die Longue durée seit dem 18. Jahrhundert und die Miteinbeziehung der zeitgenössischen, jeweils größeren Öffentlichkeit des politischen und gesellschaftlichen Feldes, über die engere Geschichtsschreibung hinaus.