Lost Places – Shared Spaces

Lost Places – Shared Spaces

Die Deutschen in und aus der Dobrudscha
im 19./20. Jahrhundert

Zwischen Makrogeschichte und globaler Verflechtungsgeschichte

Forschungsreise/Bildergalerie | Projektbezogene Veranstaltungen | Projektbezogene Veröffentlichungen

 

Seit 1840 siedelten Deutsche in Dörfern und Städten der Dobrudscha (rum. Dobrogea, bulg. Добруджа/Dobrudža), die ursprünglich zum Osmanischen Reich gehörte und sich heute auf Rumänien und Bulgarien verteilt. Durch Sekundärmigrationen aus dem Russländischen Reich bzw. durch Wanderungsbewegungen aus Zentraleuropa kamen Deutsche unterschiedlicher regionaler, konfessioneller, dialektaler und sozialer Herkunft in die Schwarzmeeranrainerregion, in der sie eine ausdifferenzierte ethnische, religiöse und kulturelle Vielfalt antrafen. Mit ihren rumänischen, bulgarischen, türkischen, tatarischen und weiteren Nachbarn traten sie in ein komplexes Beziehungsgefüge ein. Die Deutschen in der Dobrudscha wurden 1940 zu Objekten der nationalsozialistischen „Volkstumspolitik“, als sie vermeintlich „heim ins Reich“, tatsächlich aber ins besetzte Polen bzw. ins „Protektorat Böhmen und Mähren“ umgesiedelt wurden. Von dort aus mussten sie 1945 erneut fliehen bzw. wurden vertrieben. Einige Deutsche aus der Dobrudscha kehrten 1945 wieder in die Region zurück, wo sie auf die restlichen nicht umgesiedelten Landsleute trafen, andere wanderten nach Übersee aus. Die meisten Nachkommen leben allerdings heute in der Bundesrepublik Deutschland. Die komplexe Kultur- und Migrationsgeschichte erfordert zu ihrer Erforschung transnationale ebenso wie mikrohistorische Untersuchungsmethoden.

Eine Forschungsreise in die rumänische Dobrudscha, September 2019

Von Tobias Weger (Text und Fotos)

Im September 2019 habe ich eine mehrtägige Forschungsreise in den rumänischen Teil der Dobrudscha unternommen, um vor Ort zu erkunden, welche materiellen Spuren der zwischen 1840 und 1940 dort lebenden Deutschen noch existieren, aber auch den Umfang der regionalen Archiv- und Bibliotheks­be­stän­de zu meinem Thema zu eruieren. Der folgende Bericht präsentiert in einer Kombination von Text und Bild exemplarische Eindrücke aus dem Landstrich zwischen unterer Donau und Schwarzem Meer.
Ermöglicht wurde die Reise dank eines Leopold-Kretzenbacher-Stipendiums des „Schroubek-Fonds Östliches Europa“, dessen Verantwortlichen, insbesondere Prof. Dr. Klaus Roth, ich an dieser Stelle für die großzügige Unterstützung herzlich danken möchte. Ich konnte während meines Studiums an der LMU München in den 1990er-Jahren den Namensgeber des Förderprogramms, den Volkskundler Dr. Georg R. Schroubek (1922–2008), noch persönlich kennenlernen. In seinem Geiste sehe ich mein Forschungsprojekt auch als eine Vermittlungsaufgabe zwischen dem westlichen und dem östlichen Europa an.

Projektbezogene Veranstaltungen

  • Vortrag Jenseits des großen Stroms. Die Dobrudscha in Reiseführern, Reiseberichten und Landesbeschreibungen des 19./20. Jahrhunderts. Projektionen – Wahrnehmungen – Stereotypen auf der Tagung „Toposforschung […] im Lichte der U-topie“ an der Universitatea „Alexandru Ioan Cuza“ in Jassy/Iasi, 20.–25.9.2016
  • Vortrag Muslims and Christians in a Contested Area. Dobrudja, 1877–2017 im Rahmen des Panels „Beyond Nationalism: Religion, Migration, and Hybridity in Southeastern Europe“ auf der der Association for Slavic, East European & Eurasian Studies (ASEEES), Chicago IL, 9.–12.11.2017 (Tagungsprogramm)
  • Vorträge Grundlegendes zur Umsiedlungspolitik des Dritten Reiches, zur den Ansiedlungen während des Zweiten Weltkrieges in den eroberten Ostgebieten und zu Flucht und Vertreibung aus den Ansiedlungsgebieten Richtung Westen, Historischer Rückblick 1: Die Situation der Deutschen in Rumänien – besonders in der Dobrudscha – vor der Umsiedlung im Jahr 1940, Die Umsiedlung der Dobrudschadeutschen und ihre unterschiedlichen Wege in den Kriegsjahren von 1940 bis 1945, Historischer Rückblick 2: Zwischen Ansiedlung und (Konzentrations-)Lagern – die unterschiedlichen Wege der Einbürgerungs-un-willigen, Auf verschlungenen Wegen zu einer „neuen Heimat“. Wo die überlebenden Dobrudschadeutschen sich – in der DDR bzw. der BRD – angesiedelt haben auf dem Seminar „Kalte Heimat. Umsiedlung, Flucht und Heimat finden“, organisiert vom Bessarabiendeutschen Verein e. V., Stuttgart, und dem Haus am Maiberg, Heppenheim, im Konrad-Martin-Haus in Bad Kösen, 15.–17.3.2019 (Tagungsbericht von Martin Seitz, Mitteilungsblatt des Bessarabiendeutschen Vereins, Juni 2019, S. 16f.)
  • Vortrag A European Borderland. The Multiethnic Region of Dobrudja/Dobrogea am Department of History der University of Pittsburgh, Pittsburgh PA, 6.11.2019 (Ankündigung)
  • Vortrag Von Oberschlesien und Böhmen über Rom in die rumänische Dobrudscha. Exemplarische Priesterbiographien auf der Tagung „Zwischen Kronen und Imperien. Die zentraleuropäischen Priesterkollegien in Rom vom Risorgimento bis zum Zweiten Weltkrieg“, organisiert vom Päpstlichen Institut Santa Maria dell’Anima, de, Römischen Institut der Görres-Gesellschaft, dem IKGS und der Universität Wien, Rom/Città del Vaticano, 22.–24.1.2020 (Tagungsbericht von Theresa Gillinger, H-Soz-Kult, 30.4.2020)
  • Vorträge Grundlegendes zur Umsiedlungspolitik des Dritten Reiches, zur den Ansiedlungen während des Zweiten Weltkrieges in den eroberten Ostgebieten und zu Flucht und Vertreibung aus den Ansiedlungsgebieten Richtung Westen – sowohl in die DDR als auch in die Bundesrepublik, Historischer Rückblick 1: Die Situation der Deutschen in Rumänien – besonders in der Dobrudscha – vor der Umsiedlung im Jahr 1940, Die Umsiedlung der Deutschen und ihre unterschiedlichen Wege in den Kriegsjahren von 1940 bis 1945, Historischer Rückblick 2: Lagerleben nach 1945 bis zur Auswanderung nach Übersee (u. a. Canada, USA, Argentinien), Neue Ergebnisse zur Umsiedlung und Ansiedlung im und nach dem Zweiten Weltkrieg aus US-amerikanischen und rumänischen Bibliotheken und Archiven auf dem Seminar „Flucht und Integration im Vergleich. Die Dobrudschadeutschen einst und die Migrationsbewegungen heute“, organisiert vom Bessarabiendeutschen Verein e. V., Stuttgart, und dem Haus am Maiberg, Heppenheim, im Tagungszentrum Schmerlenbach, 30.7.–1.8.2021 (Tagungsbericht von Heinz-Jürgen Oertel, Mitteilungsblatt des Bessarabiendeutschen Vereins, September 2021, S. 10f.)
  • Vorträge Grundzüge der dobrudschadeutschen Geschichte bis 1945 einschließlich der Flucht aus den Ansiedlungsgebieten im Osten bis zur Ankunft in den Besatzungszonen, Historische und geografische Verbindungen zwischen Dobrudscha und Ukraine, Der Krieg in der Ukraine – Meinungen und Fragen, Historischer Rückblick: Verschlungene Wege in eine neue „Heimat“. Wo die überlebenden Dobrudschadeutschen sich in der späteren SBZ/DDR angesiedelt haben, Zwischen Integration und Überwachung. Die Vertriebenenpolitik der SBZ/DDR ab 1949 und die Rolle der Staatssicherheit, Integration im Vergleich zwischen den verschiedenen Gruppen im Vergleich zwischen DDR und BRD auf dem Seminar „Flucht und Integration im Vergleich. Die Dobrudschadeutschen in dern DDR und der BRD von 1949 bis heute“, organisiert vom Bessarabiendeutschen Verein e. V., Stuttgart, und dem Haus am Maiberg, Heppenheim, im Marthahaus, Halle (Saale), 22.–24.4.2022 (Tagungsbericht von Berd Sterzelmaier, Mitteilungsblatt des Bessarabiendeutschen Vereins, Juni 2022, S. 10–12)
  • Vortrag Ein nicht eingelöstes Versprechen – die Umsiedlung der Deutschen aus der Dobrudscha 1940 und ihre Folgen auf der Tagung „Versprechen als kulturelle Konfigurationen in politischen Kontexten. Zur Konturierung eines Konzepts“, organisiert vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (ISGV), Dresden, und dem Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE), Oldenburg, im Stadtarchiv Dresden vom 4.–6. Mai 2022 (Tagungsbericht von Frauke Geyken, H-Soz-Kult, 27.6.2022)
  • Vortrag Zwischen Imperien, Staaten, Ethnien und Religionen. Die Dobrudscha als Grenzraum im 19. Jahrhundert auf der Wissenschaftlichen Tagung „Die bayerisch-tschechische Grenze als Innovationsraum im ‚langen‘ 19. Jahrhundert“, organisiert von der Universität Passau in der Bayerischen Repräsentanz in Prag, 27.5.2022
  • Vortrag Halbmond und Kreuz. Politik und Alltag in der Dobrudscha im Rahmen Mittwochsakademie „Rumänien“ der Volkshochschule Freudenstadt, 6.7.2022
  • Vortrag Postimperiale Kolonialimaginationen. Die Dobrudscha in der Außensicht deutschsprachiger Literaten und Publizisten der Zwischenkriegszeit im Rahmen der Sektion „Deutschsprachige Literatur in und aus Ostmittel- und Südosteuropa. Das neue Fremde/Eigene. Deutschsprachige literarische Felder und Akteure in Ostmittel- und Südosteuropa im postimperialen Kontext“ und Plenarvortrag Kriege, Krankheiten, Katastrophen, Kulturkontakte. Die Dobrudscha als multikulturelle Region im 19. und frühen 20. Jahrhundert auf dem 12. Kongress der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens (GGR), Constanța, 2.–6.9.2022 (Ankündigung |Fernsehbericht der deutschsprachigen Sendung „Akzente“ im Rumänischen Fernsehen (TVR1), 3.11.2022)
  • Vortrag Auswirkungen der rumänischen Agrarreform von 1921 auf die ländlichen deutschen Kolonisten in der Dobrudscha und ihre Nachbarn auf der Tagung „Agrarreform in Rumänien im regionalen und internationalen Vergleich in der Zwischenkriegszeit (1918-1938)“, organisiert vom Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e. V. (AKSL) im Institut für Geisteswissenschaften, Hermannstadt/Sibiu, 8./9.9.2022 (Ankündigung)
  • Vorträge Grundzüge der dobrudschadeutschen Geschichte von 1840 bis zur Flucht aus den Ansiedlungsgebieten im Osten (1944/45), Historischer Rückblick: Die Ansiedlung in den besetzten Gebieten im Kontext der NS-Volkstumspolitik, Berichte von Zeitzeugen aus den Ansiedlungsgebieten auf der Tagung „Leben in fremden Gebieten. Schicksale der Dobrudschadeutschen im Zweiten Weltkrieg am Beispiel des Warthegaus, des Generalgouvernements und von Böhmen und Mähren“, organisiert vom Bessarabiendeutschen Verein e. V., Stuttgart, und dem Erbacher Hof, Mainz, in der Katholischen Akademie Stuttgart-Hohenheim, 5.–7.5.2023

 

Projektbezogene Veröffentlichungen von Tobias Weger

  • Jenseits des großen Stroms. Die Dobrudscha in Reiseführern, Reiseberichten und Landesbeschreibungen des 19./20. Jahrhunderts. Projektionen – Wahrnehmungen – Stereotypen. In: Andrei Corbea-Hoişie, Ion Lihaciu (Hgg.): Toposforschung im Lichte der U-topie. Literarische Erörterungen in/aus MittelOsteuropa. Iaşi, Konstanz 2018 (Verlagsankündigung).
  • Archiv- und Sammlungsbestände zur Kultur und Geschichte der Deutschen in bzw. aus der Dobrudscha. In: Spiegelungen13 (2018) H. 2, S. 55–62 (Volltext online).
  • Religiöse Narrative bei den Deutschen aus der Dobrudscha 1940–1950. In: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte114 (2020), S. 345–358 (Volltext online).
  • Das Eigene und das Fremde in Periodika der Deutschen aus der Dobrudscha 1949–2000. In: Jahrbuch Kulturelle Kontakte des östlichen Europa61 (2020), S. 65–83 (Ankündigung).
  • Zwischen Fortbestand, Verfall und Umwidmung. Was geschah mit den Gotteshäusern in der rumänischen und bulgarischen Dobrudscha nach den demografischen und politischen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts? In: Kirchliche Zeitgeschichte/Contemporary Church History 34 (2021) H. 1, S. 35–51. (Verlagsankündigung).
  • Grenzen und Grenzüberschreitungen in der Dobrudscha. Konfessionen oder Religionen? In: zwischengrenzen, 2022 (Volltextonline)
  • Die Baptisten in und aus der Dobrudscha. Eine lokale und eine globale Verflechtungsgeschichte. In: Sabine Hübner, Kim Strübind (Hgg.): Entgrenzungen. Festschrift zum 60. Geburtstag von Andrea Strübind. Berlin 2023, S. 97–122 (Verlagsankündigung).
  • Rumänischer Orient, russländische Peripherie? Ethnische Ansichtskarten aus der Dobrudscha und aus Bessarabien um 1900. In: Vincent Hoyer, Maren Röger (Hgg.): Völker verkaufen. Politik und Ökonomie der Postkartenproduktion im östlichen Europa um 1900. Dresden 2023, S. 215–229 [im Druck].
  • Ein nicht eingelöstes Versprechen. Die Umsiedlung der Deutschen aus der Dobrudscha 1940 und ihre Folgen. In: Cornelia Eisler, Katharina Schuchardt (Hgg.): Versprechen als kulturelle Konfigurationen in politischen Kontexten. Interdisziplinäre Zugänge und Perspektiven. Dresden 2023, S. 147-165 (Volltext online).
  • Borders, Demography, Politics and Pragmatism. The Case of Dobrudja/Dobrogea/Dobrudza since 1878. In: Georg Grote, Andrea Carlà (Hgg.): Changing Borders and Challenging Belonging. Policy Change and Private Experience. Frankfurt am Main 2023 [im Druck].
  • Bessarabien und Dobrudscha. In: Die Deutschen in Rumänien. Kompendium zur Geschichte und Gegenwart der deutschen Minderheit. Hg. vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien. Hermannstadt/Sibiu 2023 [im Druck].