Bericht: Podiumsdiskussion „Moderne Märtyrer und Glaubenszeugen – evangelische, katholische und orthodoxe Opfer kommunistischer Gewalt in Südosteuropa im und nach dem Zweiten Weltkrieg“

Unterdrückung, Marginalisierung, Verfolgung – noch im 21. Jahrhundert werden weltweit Menschen aufgrund ihrer Konfessionen diskriminiert. Um Religionsfreiheit muss auch heute gekämpft werden. An dieses Thema knüpfte die gut besuchte Podiumsdiskussion „Moderne Märtyrer und Glaubenszeugen – evangelische, katholische und orthodoxe Opfer kommunistischer Gewalt in Südosteuropa im und nach dem Zweiten Weltkrieg“ an, die am Abend des 26. Oktober 2017 im Haus des Deutschen Ostens in München stattfand und in deren Rahmen sich Prof. Dr. Thomas Bremer (Westfälische Wilhelms-Universität Münster), Erzpriester Dr. habil. Daniel Buda (Ökumenischer Rat der Kirchen, Genf, sowie Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt, rum. Sibiu) und PD Dr. Martin Illert (Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hannover, sowie Seminar für Ostkirchenkunde der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) unterhielten.

Das Gespräch wurde von Dr. Angela Ilić, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Stellvertreterin des Direktors am Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der LMU München, moderiert. Die Veranstaltung wurde vom IKGS in Kooperation mit dem Haus des Deutschen Ostens und dem Seminar für Ostkirchenkunde an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durchgeführt. Als weitere Partner fungierten der Bund der Vertriebenen, die Donauschwäbische Kulturstiftung, die Evangelisch-Reformierte Kirchengemeinde ungarischer Sprache in München, die Deutsch-Rumänische Kulturgesellschaft «Apozitia» e. V. und die Ungarische Katholische Mission München.

Die Veranstaltung eröffnete IKGS-Direktor Dr. Florian Kührer-Wielach. Nach einer Einführung durch Angela Ilić sowie einer Begriffsreflexion widmeten sich die Diskutanten der Bedeutung des Märtyrertums in Südosteuropa unter Bezugnahme auf die ethnische Angehörigkeit und den lokalen Stellenwert von Märtyrern aus den deutschsprachigen Minderheiten. Im Verlauf des Gesprächs konnten Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Konfessionen sichtbar gemacht werden. Die Diskutanten definierten den Märtyrerbegriff ähnlich, zu dessen Semantik der gewalttätige Tod einer Person „aufgrund ihres Glaubens“ gehört. Die jeweiligen kommunistischen Regime in den Ländern Südosteuropas hatten in der Zeit des Kalten Krieges versucht, die häufig anzutreffende Übereinstimmung von Ethnie und Konfession für ihre Zwecke auszunutzen und die verschiedenen Gruppen gegeneinander auszuspielen, mitunter mit Erfolg. Zwischen den Opfern der Regime konnte man trotzdem einen Zusammenhalt beobachten, der über die konfessionellen und ethnischen Identitäten hinausging. Als Beispiel dafür kann stehen, dass etwa in den Gefängnissen die konfessionelle und ethnische Zugehörigkeit zwischen den Häftlingen oft gar keine Rolle spielte. Obwohl die Verfassungen der sozialistischen Länder in Südosteuropa Religionsfreiheit garantiert hatten (offiziell war die kirchliche Angehörigkeit nur in Albanien verboten), wurden in der Praxis Priester, Gelehrte, Ordensleute und Laien aller Konfessionen oft verfolgt und verhaftet. In zahlreichen Fällen wurden sie ohne Grund festgenommen, und man warf ihnen sich gegen das Regime richtende politische Aktivitäten vor.

Im Verlauf der Veranstaltung wurden von Angela Ilić als Fallbeispiele die kurzen Lebensläufe von vier Personen in einer kleinen visuellen Präsentation vorgestellt, die unterschiedliche Länder (darunter Jugoslawien, die Sowjetunion und Ungarn) und Konfessionen (griechisch-katholisch, römisch-katholisch, serbisch orthodox sowie evangelisch-lutherisch) repräsentierten und alle wegen ihres Glaubens gelitten haben.

Nach der Präsentation stand die heutige Erinnerung an die Märtyrer im Mittelpunkt der Diskussion sowie die frühere Zusammenarbeit zwischen Kirche und Geheimdienst. Die Gesprächsteilnehmer kamen zum Ergebnis, dass letztgenannter Themenpunkt differenziert betrachtet werden müsse: Es komme darauf an, nicht alle Kirchen, Priester und Pfarrer im Kontext der Geheimdienst-Zusammenarbeit nur monoperspektivisch in den Blick zu nehmen und zu bewerten, denn unter diesen befanden sich sowohl solche, die Widerstand leisteten, sowie in unterschiedlicher Ausprägung diejenigen, die mit dem Regime zusammenarbeiteten. Diese Differenzierung sei jedoch in vielen Fällen schwierig, da nach der Wendezeit die Akten des Geheimdienstes, die die Zusammenarbeit der Kirchen mit dem Regime sichtbar machen sollten, häufig unkritisch und vorschnell veröffentlicht wurden. An etlichen Stellen trugen diese Veröffentlichungen mehr zur Verwirrung als zur historisch differenzierten Aufarbeitung innerhalb und außerhalb der Kirchen bei. Das berücksichtigend, so der Gesprächstenor, sollte man nach der christlichen Lehre an bestimmten Positionen für Vergebung und Versöhnung bereit sein.

Die Botschaft der Märtyrer für die junge Generation haben die Diskutanten folgenderweise formuliert: Daniel Buda meinte, man lerne aus der Vergangenheit, aber solle auch in die Zukunft blicken, denn es gäbe immer wieder neue Arten von Gewalt gegen die Kirche. Illert wies darauf hin, dass die Märtyrer Vorbilder seien, die den Mut gehabt hätten, die kommunistische Ideologie zu durchschauen und sich gegen diese zu stellen. Das Gespräch wurde mit den Worten Thomas Bremers abgerundet, der die Ansicht vertrat, dass alle, egal ob alt oder jung, lernen müssten, dass die Geschichte weitergehe, sich ändere und man ihr produktiv begegnen solle.

Das Publikum reagierte auf das Thema interessiert und brachte sich mit Fragen ein, die die Diskutanten zum Veranstaltungsende hin aufgriffen.

Éva-Rebeka Bíró / Clementina Irimină